Der österreichische Medienmanager Gerhard Zeiler begleitet die Transformation des amerikanische TV-Unternehmens Warner Media vom Großhändler zum Anbieter hochwertiger Fernsehinhalte an Endkonsumenten.
Erstveröffentlicht in den Salzburger Nachrichten am 20.3.2021: www.sn.com
Gerhard Zeiler lebt aktuell in Salzburg Stadt, punktuell auch in New York.
Lebens- und Arbeitsmittelpunkt des international erfolgreichen Medienmanager Gerhard Zeiler ist seit dem ersten Lockdown 2020 eine schöne Villa in Salzburg Stadt. Wir sitzen einander im großen Büro mit Abstand gegenüber. Am Nebentisch steht ein Schachspiel mit „Game of Thrones“-Figuren. Die Serie ist die weltweit bekannteste Produktion von HBO. Die Warner Media-Tochter und ihr noch junger Streamingdienst HBO Max sind im Zentrum der aktuellen Strategie des Unternehmens, das 2018 vom amerikanischen Telekomriesen AT&T gekauft wurde.
Birgit: Sie sind seit August 2020 Präsident des internationalen Business von Warner Media. Sie verantworten ein Umsatzvolumen von jährlich rund acht Milliarden Dollar. Wie sieht ihr Joballtag aus?
Gerhard Zeiler: Mit Ausnahme der Tage, wo ich mit Indien oder China Calls habe, beginnen meine Arbeitstage um 13 Uhr und enden in der Nacht. Der Vormittag gehört meiner Familie und dem Sport. Ein kurzer Rückblick: Von März 2019 bis August letzten Jahres war ich Chief Revenue Officer und damit zusätzlich zum internationalen Job verantwortlich für den Verkauf der Werbung und den Vertrieb der Sender an alle Telefon-, Satelliten- und Kabelbetreiber in den USA. Meine wichtigste Aufgabe in dieser Zeit waren die Verhandlungen der Verträge mit diesen Partnern zum Launch von HBO Max. Das ist jetzt erledigt und ich konzentriere mich auf das internationale Geschäft für Warner Media und organisiere den internationalen Rollout von HBO Max.
Birgit: HBO Max mit Filmen wie „Alien“, „American Beauty“, „Citizen Kane“ oder dem Serienhit „Game of Thrones“ steht also im Zentrum der Strategie von Warner Media?
Zeiler: Genau. Warner Media war jahrzehntelang ein Wholesale-Unternehmen, das den Vertrieb seiner Inhalte und Sender anderen überlassen hat. Jetzt wenden wir uns mit HBO Max direkt an den Endkonsumenten und führen natürlich unser Business-to-Business-Geschäft weiter.
"Kein globales Medienunternehmen will von Google & Co abhängig werden, das ist mit ein Grund, warum auch wir den direkten Weg zum Konsumenten suchen."
Birgit: Das stelle ich mir nicht einfach vor. Es gibt viele auf dem Markt und Studien zeigen, dass Haushalte im Schnitt höchstens drei Abos kaufen. Netflix bietet aktuell 36.000 Streamingstunden und hat 200 Millionen internationale Subscriber. Der junge Konkurrent Disney+ hat bald 100 Millionen Abonnenten. HBO Max hat in den USA 17 Millionen.
Zeiler: HBO und HBO Max hatten zusammen Ende des Jahres 2020 in den USA 41,5 Millionen zahlende Abonnenten. Das waren deutlich mehr als erwartet und auch 8,5 Millionen mehr als beim Launch von HBO Max im Mai des vergangenen Jahres. Ende Juni starten wir HBO Max in 39 lateinamerikanischen Ländern. Geplant ist Ende dieses Jahres ein Angebot in Skandinavien, Portugal, Spanien und Osteuropa. Außerdem werden wir in den USA in absehbarer Zeit ein günstigeres Abo mit Werbung anbieten.
Birgit: Sie haben Abonnenten damit verlockt, dass Sie 2021 alle neuen Filmproduktionen zeitgleich in den Kinos und auf der Plattform anbieten. Das hat auch manchen Konkurrenten aufgerüttelt.
Zeiler: Das war und ist eine Strategie für die COVID-Phase und auf das Jahr 2021 in den USA beschränkt.
Birgit: Wann kommt HBO Max nach Österreich?
Zeiler: Aktuell werden die Inhalte in Großbritannien, Italien und der DACH-Region über unseren Partner Sky ausgespielt. Die Verträge laufen bis 2025, daher macht ein Parallelangebot von HBO Max derzeit keinen Sinn.
"Game of Thrones" mit Daenarys Targaryen (Emilia Clark) und Jon Snow (Kit Harington) ist eine der bekanntesten Produktionen von HBO.
Birgit: AT&T ist eines der größten amerikanischen Unternehmen mit rund 170 Milliarden Dollar Umsatz, einer Größenordnung ähnlich Amazon. War die Fusion auch eine Strategie, um den großen Technologiekonzernen, die im Werbe- und Mediengeschäft Konkurrenten sind, die Stirn zu bieten?
Zeiler: Ich kann nicht für AT&T sprechen. Was Warner Media betrifft, so sind wir natürlich in vielfacher Hinsicht Konkurrent von Amazon, Google und Facebook. Das betrifft das Werbegeschäft, aber auch den Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten. Auf der anderen Seite sind sie auch Partner, die unsere Produkte auf ihren Plattformen und in ihren Stores verkaufen. Man könnte diese Firmen Frenemies nennen. Eines ist aber klar. Kein globales Medienunternehmen will von ihnen abhängig werden, das ist mit ein Grund, warum auch wir den direkten Weg zum Konsumenten suchen.
Birgit: Welche anderen Trends sehen Sie?
Zeiler: Das Werbegeschäft wächst weltweit. Die Zukunft ist hier die adressierte, datenbasierte Werbung. Wir müssen uns auf zielgerichtete Werbebotschaften konzentrieren, um mit den globalen Digitalfirmen konkurrenzfähig zu bleiben. Auch hier wird HBO Max eine wesentliche Rolle spielen.
Birgit: Sie sind einer der Top-Manager bei Warner Media und bezeichnen die Strategiearbeit, Mitarbeiterplanung und gute Kommunikation als ihre Hauptaufgaben. Wie sieht das im Daily Business aus?
Zeiler: Die Prioritäten für die Strategie mit dem Basisgeschäft und HBO Max im Fokus sind festgelegt. Bei der Personalarbeit geht es um eine konsequente Analyse. Habe ich die richtigen Mitarbeiter an Bord, wo gibt es Skill Gaps? Die Nachfolgeplanung und die Förderung von High Potentials ist ebenso wichtig wie dafür zu sorgen, dass wir in punkto Diversität so gut es geht ein Spiegelbild der Bevölkerung sind.
Birgit: Wieviele Mitarbeiter führen Sie?
Zeiler: In meiner Division arbeiten rund 5.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die ich zusammen mit meinen zehn Direct Reports führe. Wir sitzen wöchentlich zusammen. Mindestens zweimal im Jahr im Jahr versuche ich mit weiteren 100 Mitarbeitern weltweit Einzelgespräche zu führen und schließlich mache ich jährlich in den Major Hubs in Europa, in London, Paris, Rom, München und Madrid, in Asien in Singapur, Hongkong, Mumbai und Tokio und in Lateinamerika in Buenos Aires, Santiago de Chile, Sao Paolo und Mexico City, Townhalls, zu denen alle Mitarbeiter vor Ort eingeladen sind. Wenn ich in den Ländern in der Kantine den Menschen begegne, sehe ich in ihre Augen. Ich sehe, ob sie lachen und zufrieden sind.
"Die Zukunft die adressierte und datenbasierte Werbung."
Birgit: Sie sind sehr präsent.
Zeiler: Das ist notwendig, auch wenn es im letzten Jahr schwierig war, denn virtuelle Meetings stoßen an ihre Grenzen. Ich gebe zu, dass ich es kaum erwarten kann wieder zu reisen und vor Ort Kunden und Mitarbeiter zu besuchen.
Was können Sie besonders gut?
Zeiler: Ich kommuniziere gern und liebe Strategie. Wir befinden uns in einer disruptiven Phase, da braucht es Ideen und flache Hierarchien, um schnell zu reagieren. Es muss möglich sein, Fehler zu machen. Jeder muss angstfrei seine Meinung sagen und seinen Beitrag leisten können.
Birgit: Gibt es auch Kritik an ihnen?
Zeiler: Manchmal höre ich, ich sei ungeduldig. Aber das weiß ich selbst. (lacht)
Birgit: Sie werden heuer 66 Jahre, da sind viele in Pension oder sitzen Aufsichtsräten ...
Zeiler: In den USA ist das Alter unbedeutend. Mir macht mein Job Spaß.
Birgit: Apropos Job, sie schreiben in Ihrem Buch „Leidenschaftlich Rot“, dass ihre Tätigkeit beim ORF eine der schönsten für Sie war.
Zeiler: Ich habe in den acht Jahren als Generalsekretär und später als Generalintendant sehr viel gelernt. Der ORF hatte immer eine außergewöhnliche Stellung in diesem Land, muss sich aber wie jedes Medienunternehmen auf dieser Welt verändern, um seine Stärke, Output und Einfluss zu bewahren. Für ein gutes Produkt braucht es ORF-Gebühren und man muss sich noch deutlich stärker in die digitale Welt hineinbewegen.
Birgit: Heuer wird der nächste Generalintendant gewählt, sehr wahrscheinlich Alexander Wrabetz, auch wenn er seine Kandidatur bisher nicht offiziell bekanntgegeben hat. Wird er der einzige Kandidat bleiben?
Zeiler: Das kann ich Ihnen nicht beantworten, da müssen Sie am Besten die Personen fragen, die bestimmen werden, wer der nächste Generalintendant sein wird.
"Mein Tipp für junge ambitionierte Menschen ist: Beschäftige Dich mit Deinen jetzigen Aufgaben und wenn Du sie gut machst, dann kommt der nächste Schritt in Deiner Karriere von selbst."
Birgit: Welche Ambitionen haben Sie noch?
Zeiler: Ich lebe im Hier und Heute und das ist wunderbar. Wenn sich beruflich etwas Neues auftun sollte, werde ich dann eine Entscheidung treffen, wenn ich sie treffen muss. Insgesamt kann ich sagen, dass viele meiner beruflichen Träume, in Erfüllung gegangen sind.
Birgit: Das heißt, Sie haben Glück gehabt.
Zeiler: Ja, ich habe viel Glück in meinem Leben gehabt.
Birgit: Haben Sie Tipps für junge Menschen?
Zeiler: Vor einigen Jahren wurde eine Untersuchung zum Thema „Was macht einen erfolgreichen CEO aus?“ in der New York Times veröffentlicht. Der Autor hatte 100 der erfolgreichsten CEO interviewt um Ähnlichkeiten in deren Verhalten und Persönlichkeit herauszufiltern. Er fand drei bemerkenswerte Eigenschaften, die fast allen zuzuschreiben waren: Erstens eine große Neugierde auf das Morgen, die Suche nach neuen und innovativen Zukunftsstrategien. Zweitens die Bereitschaft schwierige Problemfälle in die Hand zu nehmen und zu lösen. Keiner von ihnen blieb in seiner Komfortzone verhaftet. Und drittens: Keiner beschäftigte sich mit der Planung des nächsten Schritt in seiner oder ihrer Karriere. Mein Tipp ist: Beschäftige Dich mit Deinen jetzigen Aufgaben und wenn Du sie gut machst, dann kommt der nächste Schritt in Deiner Karriere von selbst.
Copyrights: Paul Schirnhofer
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