Die Britin Jane Goodall hat in der Schimpansenforschung Pionierarbeit geleistet. Seit den 80er-Jahren ist ihr größtes Anliegen eine respektvolle Beziehung des Menschen zur Natur – zu unserer Erde.
Erstveröffentlicht in auto touring April 2021: www.oeamtc.at
1934 in Südengland geboren | 1960 bis 1975 Pionierin der Schimpansenforschung im Gombe Stream Nationalpark in Tansania | 1965PhDUniversity of Cambridge ohne Bachelor-Degree | 1977Gründung des 1. Jane Goodall Institute for Wildlife Research, Education and Conservation in Kalifornien mit weiteren Niederlassungen in 30 Ländern | 1991 Initiative „Roots & Shoots“ mit hunderten Kinder-, Jugend, Studentengruppen weltweit | 2002UN-Friedensbotschafterin | Dame of the British Empire | Bestsellerautorin | Vegetarierin seit den 60er Jahren | zweimal verheiratet, ein Sohn, drei Enkelkinder
Jane Goodall forschte 20 Jahre im Urwald des Gombe Nationalpark in Tansania.
Wir sitzen einander virtuell gegenüber. Jane Goodall wird im April 87, sieht 20 Jahre jünger aus und ist kein bisschen leise. Sie hält eine Tasse Tee in Händen, lächelt und antwortet wohl überlegt.
Obwohl ihre Stimme ruhig und gelassen klingt, sind die Statements emotional und messerscharf. Sie sagt sehr deutlich: Wir brauchen jetzt sofort eine neue und respektvolle Beziehung zu unserem Planeten.
Die Britin ist Gründerin des Jane Goodall Institute, das in 30 Ländern der Erde tätig ist. Sie hat Pionierarbeit in der Schimpansenforschung geleistet und ist als Aktivistin für die Rettung unseres Planeten seit 40 Jahren unermüdlich im Einsatz.
Birgit: Bis zum Beginn der Pandemie waren Sie als Aktivistin rund um die Welt unterwegs, davor lebten Sie 20 Jahre im Urwald von Gombe im Westen von Tansania. Wie geht es Ihnen in Zeiten von Corona, wo Sie an einem Ort festgebunden sind und Reisen nahezu unmöglich ist?
Jane Goodall: Anfangs war ich frustriert und verärgert. Im März 2020 wollten wir unsere Tour anlässlich der 60-Jahr-Feier der Forschungsstation in Tansania, wo alles begonnen hat, starten. Wir mussten die Tour absagen. Das war schade, doch anstelle dessen entstand, das was ich „Virtual Jane“ nenne. Seither gebe ich Webinare, Online-Interviews, biete virtuell Lehreinheiten an, mache einen Podcast, den „Hopecast“. Ich sage Ihnen ehrlich, im letzten Jahr habe ich soviel gearbeitet wie nie zuvor in meinem Leben.
"Ich sage, es gibt Hoffnung. ABER, ABER, ABER: Wir müssen sofort handeln. Wir alle sind abhängig von der Natur. Wir alle benötigen Luft, Nahrung und Wasser. Wir alle brauchen diesen Planeten."
Birgit: Ich dachte, es wäre eine Entlastung, weniger unterwegs zu sein.
Jane Goodall: Nein! Es ist soviel anstrengender. Wenn man reist, dann kann man manchmal still im Flieger sitzen und auf die Welt schauen, man trifft Menschen, hat nette Abendessen, trinkt Wein und lacht. Jetzt versuche ich über die Kamera meines Laptops so viel Energie als möglich hinauszutragen. Das ist herausfordernd.
Das Schöne ist, ich arbeite im Haus meiner Eltern in Bournemouth. Ich lebe hier mit meiner Schwester, wir haben einen großen Garten und sind nahe dem Meer. Und: meine Social-Media-Follower gehen inzwischen in die Millionen und ich sende mehr Messages an mehr Menschen in noch viel mehr Länder als vorher.
Birgit: Als Aktivistin haben Sie sich der Aufgabe verschrieben, die Welt für Tiere und den Umgang der Menschen mit der Erde zu verändern. Was ist Ihre wichtigste Message?
Goodall: Die aktuelle Pandemie haben wir uns selbst zuzuschreiben, unserer großen Respektlosigkeit gegenüber der Natur und ihren Lebewesen. Dieses Virus hält uns in Atem mit Mutationen, der Erkrankung, dem Tod unserer Lieben, Impf-Engpässen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Unsere Respektlosigkeit hat zur größten Bedrohung überhaupt geführt: dem Klimawandel.
"Ich arbeite nonstop. Die Welt braucht Aktivität, finden Sie nicht?"
Birgit: Was können wir tun?
Jane Goodall: Die Menschen beginnen langsam zu verstehen. Es braucht einen nachhaltigen Lebenswandel. Ein paar Beispiele: Wenn mich all der Plastikmüll stört, kann ich anfangen, in meinem Alltag weniger Produkte mit Plastikverpackungen zu kaufen. Ich kann bewusst bei Einkäufen darauf achten. Ich kann Petitionen unterstützen, die sich für das Verbot von Einwegplastik einsetzen.
Oder denken wir an den achtlos weggeworfenen Müll: Wenn man spazieren geht, findet man ihn überall. Jedes Stück, das ich einsammle und korrekt entsorge, ist ein Beitrag zum Schutz der Natur. Aber ich kann mich auch umschauen, ob jemand in meiner Nachbarschaft Hilfe braucht.
Es gibt so viele, die Hilfe brauchen. Ob es die alten Menschen sind, die armen, die einsamen oder auch die überforderten Menschen, die bei all ihren Aufgaben eine stützende Hand brauchen. Eine Spende, ein nettes Gespräch, eine Unterstützung bei den Alltagslasten – all das kann oft ein Wunder für einzelne Menschen bewirken. Es ist so wichtig, lokal zu handeln.
Birgit: Sie selbst lebten lange Zeit Ihres Lebens in der Wildnis und waren eins mit der Natur. Wie hat das Ihr Leben beeinflusst?
Jane Goodall: Ich bin als Kind in einer ländlichen Umgebung aufgewachsen und habe schon damals, wenn keine Schule war, die meiste Zeit draußen verbracht. Ich habe schon als kleines Kind von Afrika geträumt und jeder hat mich ausgelacht.
Man muss sich vorstellen, in der Welt tobte der 2. Weltkrieg, Afrika war sehr weit weg, keiner wusste etwas über diesen Kontinent und meine Eltern waren arm. Keiner und schon gar nicht junge Mädchen studierten Tiere in ihrem Lebensraum in einem fremden Land.
Aber meine Mutter hat mich immer bestärkt. Sie sagte zu mir: Arbeite hart, warte auf die richtige Gelegenheit, und wenn du nicht aufgibst, dann wirst du einen Weg finden. Und so war es dann. Deshalb ist es mir so wichtig, gerade jenen Menschen, die benachteiligt sind, zu sagen: Gebt niemals auf.
Lies das vollständige Interview auf www.oeamtc.at
Das Interview als Video auf YouTube ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=58EjB-v6TA4
Copyrights: JGI, Fernando Turmo, Hugo van Lawick, Michael Neugebauer, Michael Nichols
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