Sie ist eine der schönsten Inseln der Welt – und ich habe schon einige Schönheiten besucht, von tropischen Träumen über griechische Göttinnen bis zu norwegischen Polarlichtern. Madeira ist rau, wild, hat Ecken und Kanten. Diese Insel macht es einem nicht leicht.
Das gilt nicht nur für die Bewohner und uns Besucher, es gilt auch für die Häuser, die mitten in hartes schwarzes Lava- und Basaltgestein gebaut sind, für die sich schlängelnden Straßen mit ihrem Rauf und Runter, die Terrassenfelder mit Bananenstauden und Weinreben, die von Hand bestellt werden müssen.
Alles hier grenzt an Abgründe, die Hunderte Meter abfallen in unsichtbare Tiefen, in den Atlantik, in grüne Wildnis. Selbst die dicht besiedelte, sichtlich glatt gestrichene Südseite der Insel bietet plötzliche Steigungen, wilde Canyons und aus dem Meer aufragende Klippen, die einem den Atem rauben.
Am Weg über die Hochebene wartet der mystische Feenwald Fanal. In einem erloschenen Vulkankrater wächst auf saftig-grünem Grund der letzte urtümliche wie mystische Lorbeerwald mit seinen knorrigen, wurzelgewaltigen, Moos-überwucherten Bäumen, die sich in alle Richtungen verbiegen wie bucklige Hexen aus einer Märchenwelt.
Vom Meer in der Tiefe bläst ein starker Wind Wolken und eine Nebelwand über den Berghang. Die wenigen Besucher werden zu den Gefährten aus "Herr der Ringe", die in der mystischen Stimmung ängstlich um sich blickend jeden Moment den Einfall von Orks und Trollen erwarten. Es ist eine Naturkulisse der besonderen Art.
Im Süden der Insel nahe Funchal gibt es einige besondere Strände. Tipp: Teleférico nahe der Statue Christo Rei - hier war früher der Hotspot des Walfänger-Business.
Ein Highlight ist die Wanderung zwischen den beiden höchsten Gipfeln der Insel, dem Pico Ruivo im Norden und dem Pico do Arieiro weiter südlich.
Wanderung zum äußersten Osten, zum Ponta de São Lourenço. Hier fühlt sich Madeira an wie der hohe Norden Schottlands mit trockener windgepeitschter Grassteppe am Ufer der rauen See. Gen Norden des Weges frisst sich der wilde Ozean in hohe Felstürme, wo immer wieder Steinmassen abbrechen und aus großer Höhe gefährlich und laut in die Tiefe stürzen. Viele Segelboote liegen vom Wind geneigt am Wasser und umfahren die wilden Klippen von unten.
Die Levada do Caldaihrão Verde ist anstrengend wie wunderschön. Rundum erheben sich grüne Steilhänge, an denen das klare Gebirgswasser herabregnet
Dichter Nebel fällt ein, verzieht sich wieder und gibt den Blick frei auf bunte Regenbögen.
Meist endet das Wandervergnügen bei einem Wasserbecken, in das ein rauschender und viele rieselnde Wasserfälle eintauchen – und manch vor Kälte kreischender Influencer, der seine Fans begeistern will. Denn Madeira hat die jungen Social-Media-Aficionadas in Covid-Zeiten in sein Land gebeten, um hier remote und sicher zu arbeiten und den Tourismus anzukurbeln.
Traumhafte Abendstimmung mit Blick auf Paul do Mar. Noch ein letzter Tipp für einen unvergesslichen Abend in Paul do Mar im äußersten Westen. Das Örtchen liegt völlig abgelegen am Meer, am Weg sollte man am unscheinbaren Restaurant O Precipicio halten. Die Terrasse bietet aus 400 Metern Höhe den schönsten Blick der Insel auf das weite, sich in der Ferne rundende Blau mit seinen weißen Schaumkronen, die rote sinkende Sonne und unbändig spielende und Fische jagende Seeadler. Von dort nimmt man die Serpentinen zur Küste und fährt auf der einzigen Straße bis ans Ortsende von Paul do Mar.
Da ist die mit Abstand coolste Bar Madeiras. Venãncio hat die Bar da Pedra vor zwei Jahrzehnten eröffnet: "Am Ende der Welt musst du etwas Besonderes bieten." Das tut er. Die Bar ist voll mit jungen Leuten, Einheimischen, Veteranen, einsamer Frauen, manch warmherziger, verlorener Seele und Fischern in Shorts und ohne T-Shirt. Vor der Veranda stehen drei Harley Davidson Maschinen vom Feinsten, gepflegt und gestriegelt.
Denn hier ist der Harley-Treff Portugals. Oft sind es viel mehr Maschinen, lacht Venãncio, ein uriger Typ mit Bauch, Bart und viel Energie und Ausstrahlung.
Der Song "The Wall" dröhnt aus den Lautsprechern und übertönt den Lärm der Wellen des Atlantik, der nur wenige Meter entfernt brandet. Auf einem Bildschirm flimmert das Musikvideo. Venãncio holt mich an den Tresen, serviert mir seinen Spezial-Cocktail und zeigt mir die Bude. Da finden sich Sammlungen von Fotos mit Hochseefischern, Fotos von Harley-Treffen an den vollen Wänden, ein TikTok-Video zeigt er mir am Handy und dann sind da noch die duzenden Barette weltweiter militärischer Special Forces von der Fremdenlegion bis zum Britischen Geheimdienst.
Später plaudere ich mit einem Schweden, der ausgewandert ist und mit seiner Frau einer Brasilianerin hier lebt. Mit Händen und Füßen verständige ich mich mit der einsamen Madeirenserin mit der wilden Haarmähne und ihrer kleinen weißen Hundedame. Wir verstehen uns, auch ohne Sprache.
Schließlich schwindle ich mich heim ins schöne Hotel Atrio.
Sonnenschein und Nebel - egal wo, die Insel zeigt sich immer atemberaubend.
Die raue Nordseite der Insel hat auch ihre eigene Schönheit zu bieten.
Wer sich verführen lässt und hartnäckig bleibt, wird wahrlich belohnt. Alle Geheimtipps, die gesamte Reisestory, Erlebnisse, Bilder und Videos finden Sie hier: oeamtc.at
Comments